„Wer i dr Fasnat kuon Narr ist, der ist’s das ganze Johr!“, hört man eifrige Fasnätler manchmal sagen; beflissene Journalisten schreiben und reden lieber vom „Fasching“ (weil das für sie etwas nobler klingt als die traditionelle, eher bäurische ‚Fasnat’) als der „5. Jahreszeit“.
In der "Stubat" Ausgabe 78/2014, die 2014 zwischen dem „Gumpigen Donnerstag“ und dem „Fasnatzischtag“ - also in der Hochfasnat erschien, wurde von Albert Bohle, der folgende Beitrag verfasst. Da konnten die Stubat-Leser, selbst wenn ihre vorgerückten Jahre aus ihnen eher „Stubehockar“ gemacht haben sollten, selber entscheiden, wie wichtig es für viele - gewiss längst nicht für alle - Leute ist, einmal im Jahr sozusagen „aus der Haut zu fahren“, sich „s’Maschgerohäß“, sich als “Bajazzl“ oder „Prinzessin azücho“ (sich zu verkleiden), „nearrsch tuo“. Einmal aus dem Alltag auszubrechen, „se ugeniort om d’ Tailje an Schmalzküochle z’argoala (ohne Sorge um die Taille genießen), ufom Kaffeekränzle uon Schwarza, uo Stückle nachom andore abe z’tuo“, halt Lude, a Hetz (bester Stimmung) z’hio“, d’Lüt uszrichto (über die Leute zu tratschen), lute Läch z’lo und z’prächta“ (hellauf laut zu lachen und herumzuschreien), amend a klä Stoub in Hoore hio (vielleicht beschwipst zu sein).
„Meng uona/uone ma si jo no arsionno (Manch einer kann sich vielleicht noch erinnern), wie er selber vor Jahr und Tag „mit dear Gobowar sealbheer omanand gjuckt und gumpat ist, anand trätzat und mit nar Larvoro arschreckt heat“ (mit der Kinderschar übermütig herumgesprungen und gehüpft ist, einander geneckt und mit einer wilden Maske erschreckt hat), odr „wio ma gearn mitgjohlat heat, wenn uona mit nam Böllar an Schnall und an Scheattor ablo heat, dass ma drvo nogr ghörlos worro ist “(wie man mit aufjauchzte, wenn einer mit einem Böller einen Schuss mit einem Krach abfeuerte, dass man ringsum davon fast taub wurde).
„As ist uom, as ob ma no des Giisso und Wisso vo n am Moatle hörtot, wo an größora Laggl, an reachta Klachle, a Sublottoro üboro Kopf ghouo heat“ (man hört noch die schrillen Schreie eines Mädchens, dem ein Lackel mit einer getrockneten, aufgeblasenen Schweinsblase über den Kopf gehauen hatte - was als Ankünden einer Schwangerschaft galt).
Ähnlich waren die Mädchen ja beliebte Opfer des „Bromigo Fritag“, wenn die Burschen versuchten, ihnen Pfannenruß ins Gesicht zu schmieren. Viele wussten sich dabei durchaus zu wehren - ähnlich wie manche Hausfrauen am Gumpigen Donnstag - in Erwartung der üblichen Bratendiebe - etwa einen alten Schuh oder ein Stück „Schollo“ (Torf) im Braten versteckt hatten.
In ihrer Jugendzeit, als es noch keine Diskotheken und Jugend-Events gab, hatte es manchen jetzigen Opa und Uropa wohl auch dazu gedrängt, in der Fasnat einmal gehörig „auszuflippen“ und sich nicht nur - wie die braven Kinder - mit einer Ausfahrt auf dem „Zisler“ (mit Tannenreisig frühlingshaft geschmückter Leiterwagen bei kleinen Fasnatumzügen) zu begnügen.
Große Bälle, Vereinsfestlichkeiten und Maschgora - Umzüge gehören in unserer Zeit zu den Höhepunkten der Fasnat. Der Name „Fastnacht“ geht zwar wahrscheinlich auf den Abend vor der kirchlichen Fastenzeit, also auf den „Fasnat-Zistag“ zurück. Heutzutage beginnt das närrische Treiben freilich schon bald nach Dreikönig. Das Fasten nach den eigentlichen Fasnattagen fiel damals ja insofern nicht allzu schwer, weil in der kargen Spätwinterzeit die Speisevorräte ohnehin zusammengeschmolzen waren.
Bevor jedoch Schmalhans in den meisten Haushalten für mehrere Wochen Küchenmeister wurde, wollte man wenigstens einmal noch aus dem Vollen schöpfen. Immerhin weckten ja die kleinen braunen Knospen und die länger werdenden Tage die Frühlingshoffnung.
In dieser Vorfreude - in einer oft derben Lebenslust - zu feiern, das hatten schon die alten Griechen, Römer und Germanen mit Umzügen und Feuerbräuchen ausgiebig genossen. Manche von uns alt Gewordenen erinnern sich bestimmt, wie bald nach dem Krieg auch in Dornbirn die Fasnatsumzüge viel größer als je zuvor geworden sind. Ähnlich wie bei den gleichzeitig beliebt gewordenen Narrenabenden und Büttenreden wirkten wohl Anregungen durch die Fernsehschauen
vom rheinischen Karneval mit.
Draußen am Rhein wie hier gab und gibt’s ja mehr als genug „Gspässiges, Hetziges, Spinniges“ im weiteren Bekanntenkreis und im öffentlichen Leben, das nach spöttischer Nachrede ruft. Wie im Frühjahrsputz der Hausfrauen will man sich so vom „alto Glump und Grust und Dreack“, von allen Torheiten befreien. Die boshaft-witzigen Bemerkungen und Lieder des Stiefelema und seiner Mitarbeiter haben dabei gewiss vielerlei gesellschaftliche Altlasten weggeräumt und Ärger in Gelächter aufgelöst.
Ähnliches wird sinnbildlich im Funkosunntag, dem ersten Fastensonntag, verwirklicht. Unlängst ist zwar im Bludenzer Raum, wo der Funken- und Küechlesonntag vielleicht noch mehr als bei uns im Unterland gepflegt wird, eine Diskussion über das Alter dieses Volksbrauchs entstanden. Wohl ist das Abbrennen des Funkens vor gut 150 Jahren im Geiste der Romantik vielfach zu einem halb heidnisch-nationalen Volksbrauch stilisiert worden. Natürlich haben sich auch die Funkenbräuche
im Wandel der Zeit geändert: unsere Bubengruppen zogen noch mit einem Handwägele durch die Gassen und riefen „Funka, Funka hoh, Buschla odr Stroh, so wörd de Funko hoh!“, damit sie alte Christbäume und Altholz bekamen. Aber so könnte man heute keine steilen Riesenfunken bauen. Die fordern eine zünftig-handwerkliche Vorbereitung und einen kunstvollen Aufbau.
Dabei sind wir froh, dass die Umweltschützer und Nachbarn den Verzicht auf das Verbrennen von Autoreifen und Plastikabfällen erreicht haben. Auch hat es gewiss in früheren Zeiten „Kogosiocho und Loadwerkar gio“ (bösartige Übeltäter), die heimlich vorzeitig den Funken angezündet hatten; wegen der aufwändigen Arbeit werden jetzt darum die meisten Funken bewacht. Auch fanden und finden, explodierende Hexen die Kritik engagierter Frauen; Böller und Raketen, die Sicherheit der vielen Zuschauer, Musikkapellen, Wurst- und Küchlestände, auch die Konkurrenz durch benachbarte Funken - verlangen eine umsichtige Organisation.
Wir leben halt nicht mehr in einer abgeschiedenen dörflichen Welt. Aber wer dem Treiben um unsere vielen Funken, den lodernden Flammen, der sprühenden Glut zusieht, sich freut, dass Buben auch noch Fackeln und Scheiben schwingen, der erfährt auch in unserer technisierten Zeit noch eine tröstliche Nähe zur ungezähmten Natur, den unberechenbaren Launen des Wetters, zum Kreislauf des sich aufbäumenden und vergehenden Lebens.
Die meisten von uns Alten gehören längst nicht mehr zu den Fasnätlern und Funkern. Aber wahrscheinlich schauen viele noch gern und mit ein bisschen Wehmut am Funkensonntag abends zum Fenster hinaus nach den Funken und Raketen.
Wer möchte da zu den Spaßverderbern, Grantnigeln, Trübsalbläsern oder zu den „Müchtelern“ gehören, die über solche alten „Torheiten“ nörgelnd den Kopf schütteln? Lächelnd und ein bisschen an die einstige Jugend denken, das darf man aber schon noch…
(Original Stubat - Ausgabe 78/2014 Text von Albert Bohle)